Am 15. Juni diskutierte die KölnSPD bei einem mitgliederoffenen Parteirat die aktuelle politische Lage und insbesondere den Zustand der großen Koalition.
Ortsvereins-Vorstandsmitglied Joachim Weber meldete sich mit der Forderung nach einer solidarischen Umgestaltung des Systems der solidarischen Marktwirtschaft zu Wort – seine Rede finden Sie nachfolgend zum Nachlesen:
Gesellschaft in Balance
– Impuls für die künftige Politik der SPD –
Wir ernten, was wir gesät haben
Wir reden von den großen Herausforderungen, die zu meistern sind, wenn wir auch in Zukunft ein erfülltes Leben in Frieden und Wohlstand gewährleisten wollen. Wir reden dann von der Zukunft der Arbeit, über Aufstiegschancen, soziale Sicherheit und die solidarische Gesellschaft. Aber wir verlieren uns im Klein-Klein. Die wirklich großen Themen packen wir nicht an. (Dass die anderen Parteien das auch nicht tun, hilft uns nicht). Wir haben keinen Erfolg mehr bei Wahlen, weil wir mit unserer Politik (z.B. Mietpreisbremse, Mindestlohn, Rente mit 63) die soziale Spaltung unserer Gesellschaft nicht überwinden, sondern den real existierenden, von den Finanzmärkten getriebenen Kapitalismus (Helmut Schmidt sprach vom „Raubtierkapitalismus“) stützen. Wir schützen ihn vor seinen selbstzerstörerischen Kräften oder deren Folgen. Unsere Politik forderte und ermöglichte Reformen nur soweit, wie es nicht zu einschneidenden Einschränkungen von Kapitalinteressen kam. Wir haben uns so auch den Blick auf die zentrale Zukunftsaufgabe verstellt, unsere ökologischen Lebensgrundlagen zu sichern.
Es ist höchste Zeit für eine neue Politik
Demokratische Gesellschaften funktionieren auf der Grundlage von Kooperation, Rücksichtnahme und Fairness, nicht aufgrund von Konfrontation und Egoismen zu Lasten anderer. Nur Kooperation führt zu einem gedeihlichen Fortentwickeln unserer Gesellschaft, zu besseren Lebensbedingungen für alle und damit zu einer Gesellschaft in ökologischer, sozialer und ökonomischer Balance.
Wir haben dieses Ziel bisher aus im Wesentlichen zwei Gründen nicht erreicht. Wir „leisten“ uns in unserer auf Solidarität aufgebauten Gesellschaft eine Wirtschaftsordnung, die auf profitmaximierenden Egoismus, auf einem die Konkurrenz als „Feind“ begreifenden Wettbewerb und auf hemmungslosem Wachstum gründet. Sie funktioniert also diametral zu unserer Gesellschaftsordnung. Damit gefährdet sie deren Bestand durch „Umpolung“ ihrer Grundwerte und Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen. Denn mit unserer Wirtschafts- und Lebensweise übernutzen wir unsere Erde seit Jahrzehnten. Jahr um Jahr früher verbraucht die Menschheit alle natürlichen und erneuerbaren Ressourcen und stößt so viele Treibhausgase aus, wie die Erde nur über das ganze Jahr verkraften kann (Weltüberlastungstag). Für den Rest des Jahres bräuchten wir weltweit eine zweite und für Deutschland sogar eine dritte Erde.
Deshalb heißt es, zu einer neuen Lebensweise und Wirtschaftsform zu finden. Dazu gehört, dass wir in unserem Land den jährlichen Emissionsausstoß pro Bundesbürger/in von rd. 10 Tonnen CO² auf knapp 2 Tonnen reduzieren. Mit 1% der Weltbevölkerung liegen wir an 6. Stelle beim weltweiten Emissionsausstoß. Die Emissionen verteilen sich – grob betrachtet – in etwa gleich auf die vier Bereiche Landwirtschaft, Energie, Verkehr und Konsum (Warenproduktion). Also müssen wir in allen vier Bereichen unser Handeln umstellen. Es geht um das Zurückdrängen des Handelns, das uns eh nicht zusteht, weil es andere unzumutbar belastet. Es geht auch hier um Solidarität und Rücksichtnahme.
Voraussetzung für eine neue, erfolgreiche, die Zukunft sichernde Politik ist deshalb die Einsicht, dass unter der Dominanz des real existierenden Kapitalismus weder der Klimawandel gestoppt noch die soziale Spaltung der Gesellschaft überwunden und auch keine wirtschaftliche Stabilität erreicht werden kann.
Solidarische Marktwirtschaft
Vorrangig ist die Umwandlung unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung in eine solidarische Marktwirtschaft. Sie soll im kooperativen Wettbewerb die Güterversorgung der Gesellschaft innerhalb der Grenzen der Belastbarkeit unserer natürlichen Ressourcen und im Rahmen sozialer und ökonomischer Verträglichkeit sichern. Es geht insbesondere um
– die Eingrenzung des Wachstums der Güterproduktion und des individuellen Konsums sowie um die Produktionsweise (und Dienstleistungen), um Arbeitsbedingungen und die Verteilung des erwirtschafteten Einkommens, also die Umstellung des Handels und des Konsums auf das ökologisch, ökonomisch und sozial verträgliche Maß;
– die Eliminierung von Wachstumszwängen und -treibern mit ihren Steigerungslogiken. (permanente Expansion von Warengütern zur Gewinnmaximierung der Unternehmen sowie das Konsumieren als Prestigeangelegenheit);
– ehrliche Preise, die alle Kosten, auch die Folge- (Umwelt-) kosten, enthalten;
– die weltweit gerechte Verteilung der Gewinne;
– die Eindämmung der Finanzmärkte auf eine dienende Funktion für die Realwirtschaft.
Eine Wirtschaft ohne Wachstumszwang und Wachstumstreiber innerhalb ökologischer Grenzen und unter Achtung sozialer Gerechtigkeit ist machbar. Es ist eine Frage des politischen Willens und Handelns. Also machen wir es – endlich.